Das Bündner Fleisch

Das Bündner Fleisch ist ohne jegliche Zweifel das bekannteste Gut des Kantons. Doch die Geschichte des Bündner Fleisches zu erkunden, gestaltet sich schwierig. Die Bauern, Säumer und Jäger kennen diese Möglichkeit der Fleischkonservierung wohl schon seit Jahrhunderten, doch erwähnt wurde sie erstmals vom deutschen Reiseschriftstellers Johan Gottfried Ebel Ende des 18. Jahrhunderts: „Die Luft ist so trocken, dass von Sils/Segl bis St. Moritz hinab vom Monat Oktober bis März alles Fleisch nicht im Rauch, sondern an der Luft gedörrt wird.“ Was früher wohl zur Grundnahrung gehörte, ist heute ein Leckerbissen, der gerne auf Werbeprospekten neben einem Glas Rotwein abgebildet wird. Doch das Lufttrocknen des Fleisches als so typisch bündnerisch darzustellen ist eigentlich falsch. Denn auch die Berber in der Wüste trocknen ihr Fleisch auf diese Weise, ebenso in Lappland das Rentierfleisch, und auch die Walliser haben ihr Trockenfleisch, ebenso wie die Veltliner, Tessiner oder in der Valchiavenna, wo es als Bresaola bekannt geworden ist.

Auf eine gewisse Art unterscheidet sich das Bündner Fleisch doch von den ähnlichen Produkten. Denn die Bündner Bergluft trägt einen grossen Teil zum Konservierungsprozess bei. Denn es braucht eine reine, bakterienfreie, ozonreiche Luft mit dessen Temperaturschwankungen und Windströmungen und die Bergwälder, die die frische Bergluft spenden. All dies trägt zur Qualität bei und verursacht den erstaunlichen Gewichtsverlust von ca. 45%. Dies ergibt pro Kilogramm Bündner Fleisch Rohmaterialkosten von knapp 50 Franken. Mit den Herstellungs-, Vertriebskosten usw. zeigt sich, dass Bündner Fleisch somit gar nicht billig sein kann.

Das Fleisch stammt zum Grossteil von Schweizer Kühen. Da aber in den vergangenen Jahren mehr Wert auf die Milchwirtschaft als auf die Fleischqualität gelegt wurde, muss vermehrt auch Rindfleisch importiert werden. Die schönsten Muskelstücke, die als Unterspälte bezeichnet werden, werden vor der Pökelung zugeschnitten, von Fett und Sehnen befreit und mit einer Mischung aus Salz, Pfeffer, Nelken und anderen Gewürzen eingerieben. Jede Fleischtrocknerei hat ihr eigenes, streng gehütetes Geheimnis zu dieser Mischung, denn diese entscheidet neben der Luft über die Qualität des Bündner Fleisches. Danach wird das Fleisch zwischen drei und fünf Wochen in sogenannten Standen bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt gelagert. Danach werden die Fleischstücke zum Trocknen aufgehängt, was zwei bis drei Monate dauert. Während dem wird das Fleisch regelmässig gepresst und geformt, was eine gleichmässige Flüssigkeitsverteilung zwischen Kern und Rand gewährt. Dabei entsteht auch der gewünschte Schimmelbelag, der nicht schädlich ist, sondern das Aroma ein letztes Mal beeinflusst.

Bündner Fleisch wird von vielen geschätzt. Sportler, Geniesser, Figurbewusste – alle mögen das praktisch fettfreie, kohlenhydratarme Fleisch, das zahlreiche hochwertige Eiweisse, Vitamine, Eisen und Mineralstoffe enthält. Und wenn dieses Stück Fleisch auch noch so gut schmeckt, ist es mehr als verständlich, warum es auch im Ausland grosse Beliebtheit geniessen darf.

Informationsquelle: Wanner, Kurt. 1991. Terra Grischuna Verlag. Sargans.

Bündner Fleisch (Copyright: www.churtourismus.ch)
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